DiabetikertagEin Beitrag zur Qualitätssicherung |
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Diabetiker-TagEin Beitrag zur Qualitätssicherungvon Michael Möller |
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Wann habe ich zum letzten Mal einen Diabetiker-Tag
besucht? Ich erinnere mich, daß auch damals, es muß Jahre her sein, buntes Laub unter meinen Schuhen
glitschte, als ich den Weg zu irgendeinem Krankenhaus ging. Immer im Herbst tingeln sie durch die Provinz: Vertreter
einer Pharma-Industrie, die uns Diabetiker mit allem versorgt, was wir zum Überleben brauchen. Oder doch brauchen
könnten! Die herbstliche Zeit ist sicher besonders geeignet, uns an unsere Hinfälligkeit zu erinnern
wie auch an die Fälligkeit der nächsten ärztlichen Untersuchung. |
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TypologieEs ist merkwürdig, aber ich habe immer
den Eindruck, alte Bekannte wiederzusehen: Diabetiker-Freunde sozusagen. Da sitzt die ältere Dame mit ihrem
Begleiter, die sich unmittelbar nach dem ersten Wort des Krankenhausdirektors meldet und "Lauter!" ruft.
Ein Herr aus ihrer Generation beschallt derweil den ganzen Saal mit einem extrem hohen Pfeifton aus seinem multifunktionalen
Hörgerät mit automatischer Akustikumschaltung, dessen Bedienung ihm niemals richtig erklärt wurde.
(Die meisten werden davon nicht gestört. Der Ton ist zu hoch für sie.) Links von mir sitzt der Berufsdiabetiker,
der während des ersten Referates von 20 Minuten Dauer dreimal seinen Blutzucker bestimmt und aufschreibt.
Er kommentiert jeden Wert leise und sauber artikulierend: 228 mg! Tstststs... Das muß aber besser werden!"
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Qualität setzt sich durchDer erste Referent ist dran. Obschon niedergelassener
Arzt, steht er während des Vortrags. Er hat ein enormes Stimmvolumen, denke ich, als seine Stimme die ÄiP
kurz aufzucken läßt. Erst mit Brille erkenne ich: Er trägt ein Mikrofon um den Hals und wird kräftig
verstärkt. Die ältere Dame von vorhin meldet sich trotzdem, wird aber vom "Herrn Dokter" überstimmt.
Der ist nur schemenhaft zu erkennen, denn hinter ihm leuchtet die Leinwand des Overheadprojektors grell auf. Der
Referent hat seine Folien auf diabetische Zuhörer eingestellt, mit gaaanz großen Buchstaben. Ich kann
die Brille wieder abnehmen. |
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Der Nächste, bitteHell wird es im Saale, und ich erkenne weitere
Leidensgenossen: Den Herrn, den ich immer im Bioladen treffe und dem vom Tisch des Herrn nur noch Sesamöle
und Reisküchlein bekömmlich sind. Im Hintergrund stehen auf züchtigen Pumps die Damen von der Industrie,
so jung und schon alte Bekannte: Kostümehen oder Hosenanzug, die Fingernägel immer gerade so lackiert,
daß die Farbe überrascht. Sie stehen in Grüppchen zusammen und lassen alle Verkaufsschulung fahren,
geben sich sozusagen natürlich, tragen innere Freizeitkleidung und suchen ständig eine Gelegenheit, unbeobachtet
zu rauchen oder Prosecco zu trinken. Das Handy wird getragen wie früher ein Einstecktuch. Und der fast schon
Vermißte, der Hausmeister, ja! kommt auch.- Der nächste Referent referiert bereits zwei Minuten so leise,
daß niemand es bemerkt hat, nicht einmal die |
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ServiceAuf dem Flur fällt mir wieder ein, warum
ich hier bin: Der örtliche Apotheker bietet an, unsere Blutzuckermeßgeräte zu prüfen. Den
Service will ich gerne in Anspruch nehmen, während im Saal noch der Schamane raunt und die Zuhörerschaft
auf die Stühle bannt. Ich komme auch gleich dran und es geht alles sehr schnell. Zu schnell. Am Ende stehe
ich ratlos da: Ohne einen verwendbaren Teststreifen und in tiefem Zweifel an meinem treuen Begleiter.
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Das neue Universum
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Pattfuß und SegelohrWer wie ich jetzt diese wahre Festhalle verlassen
will, muß durch die Hölle der Prothetik: Alles, was einem Diabetiker so absterben kann, wird hier anschaulich
wie in einem Säulengang präsentiert. Vom kleinen Zeh bis zum kompletten Bein, geschient, wattiert, gelenkig
ersetzt - ich finde es eher wegschaulich und fühle mich an alte Fotos vom Weltkrieg erinnert. Vom ersten.
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Wie beruhigend ist es doch zu wissen, daß
so viele Menschen sich Tag für Tag um uns bemühen: Diabetikertag für Diabetikertag. D-Day? |
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© copyright Wolfgang Sander Wolfgang.Sander@T-online.de letzte Änderung: 15.11.98 |