Informationsdienst Wissenschaft (idw), 28.10.2003 

Zuckerkrankheit ist häufigste chronische Erkrankung

Weltdiabetestag am 14. November will deren Bekämpfung voranbringen

Jedes Jahr am 14. November nutzen Mediziner, Verbände und Patienten den Weltdiabetestag, um auf diese bislang nicht heilbare Stoffwechselkrankheit aufmerksam zu machen. Federführen ist hierbei die Deutsche Diabetesgesellschaft

Im Gespräch mit Prof. Wieland Kiess, Präsident der Deutschen Diabetesgesellschaft und Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig sowie Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Kinder und Jugendliche:

Die Zahl der Diabetiker in Deutschland ist weit höher als bisher geschätzt: Eine Bevölkerungs-Stichprobe in der Region Augsburg ergab, dass rund acht Prozent der Getesteten an einem bekannten Diabetes litten. Weitere acht Prozent waren zuckerkrank, ohne dies zu wissen. Bei der Erhebung wurde ferner festgestellt, dass 16 Prozent der Bevölkerung Auffälligkeiten hinsichtlich ihres Kohlenhydratstoffwechsels aufweisen, die mit einem hohen Risiko für die Entwicklung eines Diabetes einhergehen. "Damit sind rund 40 Prozent der Bevölkerung hinsichtlich ihres Zuckerstoffwechsels auffällig. Bereits jetzt ist der Diabetes mellitus in allen Altersstufen die häufigste chronische Erkrankung", erläutert Kiess. "Alle Welt redet über Krebs, über Herzinfarkt oder Schlaganfall, aber das Thema Zuckerkrankheit ist nach wie vor unterbewertet". Kiess verweist dabei auf die mitunter dramatischen Folgen, die ungenügend oder überhaupt nicht behandelter Diabetes haben kann. In den Industrienationen ist die Zuckerkrankheit noch heute die häufigste Ursache für Erblindungen, Amputationen und Dialysepflichtige Nierenerkrankungen.

Nach Wegen aus dem zu befürchtenden massenhaften Auftretenden von Diabetes befragt, mahnt Kiess eine konsequentere Prophylaxe an. Die Deutsche Diabetesgesellschaft (DDG) hat in hat vor einigen Monaten eine "Arbeitsgruppe Prävention des Typ 2 Diabetes durch LifeStyle-Änderungen" gegründet. Die Ursachen dieser Diabetesform liegen nicht nur in erblichen Belastungen, sondern auch in der ungesunden Lebensführung, die von falscher Kost, also letztlich von Übergewicht und Fettleibigkeit, sowie von Bewegungsmangel geprägt ist. "Adipositas, also die Fettleibigkeit, ist selbst bei Kindern und Kleinkindern keine Rarität mehr. Mit dem Übergewicht aber steigt die Gefahr, dass schon sie an einem Typ 2 Diabetes, der früher auch als Altersdiabetes bezeichnet wurde, erkranken. Es muss uns alarmieren, dass die durchschnittliche Gehstrecke der Kinder in den letzten zehn Jahren um das Achtfache abgenommen hat", warnt der Kinderarzt.

Ein weiteres aktuelles Anliegen der Deutschen Diabetesgesellschaft ist es, bundesweit ein Diabetes-Qualitäts-Modell zu etablieren. Das soll insbesondere die medizinischen Einrichtungen unterstützen, die sich nicht ausschließlich auf die Behandlung der Zuckerkrankheit spezialisieren können. "Wir brauchen nicht nur Leuchttürme in ein paar Großstädten", so der DDG-Präsident. "Wir brauchen die flächendeckende Versorgung. Die ist zu gewährleisten über ein praktikables Qualitätsmanagement, über Ausbildung statt Abgrenzung. Wir haben bereits Kriterienkataloge für diabetologische Einrichtungen erarbeitet. Diese werden wir im November verabschieden, so dass im Januar 2004 die zugelassenen Diabetes-Einrichtungen wieder benannt sind."

Diabetes betrifft aber nicht nur die Industrienationen, sondern die gesamte Menschheit. In der Mehrzahl der Länder wächst die Zahl derer, die einen bewegungsarmen Alltag leben. Gleichzeitig steigt international der Anteil der ungesunden Nahrungsmittel an der Gesamternährung. Die Folge dieser gefährlichen Kombination ist, dass Diabetes sich quasi unkontrolliert ausbreitet. Hinzu kommt, dass die Weltbevölkerung unaufhaltsam wächst und immer mehr Menschen eine längere Lebenserwartung haben. 1985 gab es weltweit schätzungsweise 30 Millionen Menschen mit einem Diabetes. Heute sind es mindestens 177 Millionen Menschen - eine nahezu sechsfache Anzahl in gerade einmal 15 Jahren. Wenn nichts zur Abbremsung dieser Epidemie geschieht, so schätzt die WHO, wird diese Zahl auf 300 Millionen im Jahr 2025 ansteigen.

Das Datum des Weltdiabetestages erinnert an den Geburtstag von Frederick G. Banting (1891 - 1941), einem der Entdecker des Insulins im Jahre 1922. Jeder dieser Tage widmete sich bisher einem anderen Schwerpunkt der Verhinderung, Behandlung und einer irgendwann sogar möglichen Heilung der Krankheit. Um "Diabetes und Herz und Gefäße" ging es 2001, um "Diabetes und Auge" im vergangenen Jahr. Zu einer Konferenz unter dem Motto "Diabetes und Nieren" ist für den 14. November 2003 nach Frankfurt/Main eingeladen. Im kommenden Jahr soll "Diabetes und Füße" in Mittelpunkt des wissenschaftlichen Austausches stehen.

Marlis Heinz

weitere Informationen:
Prof. Dr. Wieland Kiess
Tel.: 0341 - 97 2 60 00
E-Mail: kiw@medizin.uni-leipzig.de


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