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dpa / news aktuell - ots, 11.07.2002
Das Disease Management Programm Diabetes bringt kaum Fortschritte für die
Behandlung
Kompetenz der wissenschaftlichen Fachgesellschaften wurde von den Krankenkassen
weitgehend ignoriert
München (ots) - Die Grundlagen für das Disease Management Programm Diabetes mellitus Typ 2, die vom
Bundesgesundheitsministerium zum 1. Juli in Kraft gesetzt wurden, werden wohl kaum zu einer Verbesserung der Versorgung
der mehr als sechs Millionen Menschen mit Diabetes in Deutschland beitragen.
Der Grund: Die vom Bundesgesundheitsministerium festgelegten Anforderungen für die Behandlungsprogramme
legen keine neuen Ansätze in der Versorgung von Menschen mit einem Typ 2 Diabetes vor und in bestimmten Bereichen
zeigt sich sogar ein deutlicher Rückschritt in medizinischen Leistungen.
So soll ein Mikroalbuminurie-Test, mit dem im Krankheitsverlauf frühzeitig eine Nierenschädigung sicher
erkennbar ist, nur dann durchgeführt werden, wenn bereits eine sichtbare Retinopathie aufgetreten ist. Dies
hat mit der vom Gesetzgeber geforderten Prävention diabetischer Komplikationen oder deren frühzeitige
Erkennung und adäquaten und effizienten, sowie kostensparenden Behandlung nichts zu tun. Die vom Ministerium
festgelegten Anforderungen werden darüber hinaus eine Behandlung von Diabetikern auf der Grundlage neuer wissenschaftlicher
Erkenntnisse nur in Ausnahmefällen befürworten. Es werden Therapieprinzipien empfohlen, die bei vielen
Patienten bereits kontraindiziert sind.
Das Bundesgesundheitsministerium hat in der vergangenen Woche mit der "4. Verordnung zur Änderung
der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung" die Voraussetzungen für die Einführung von Disease Management
Programmen für Diabetes mellitus Typ 2 geschaffen. Die Verordnung regelt die Anforderungen, die die Programme
erfüllen müssen, um durch das Bundesversicherungsamt zugelassen zu werden. Auf dieser Grundlage können
dann die gesetzlichen Krankenkassen mit Kassenärztlichen Vereinigungen, einzelnen Ärzten und anderen
Leistungserbringern Verträge über eine strukturierte Behandlung chronisch Kranker abschließen.
Durch die Verknüpfung der Disease Management Programme mit dem Risikostrukturausgleich der gesetzlichen
Krankenversicherung stehen bei vielen Krankenkassen offensichtlich wirtschaftliche Interessen im Vordergrund. Mit
Hilfe der Disease Management Programme werden jährlich mehrere Milliarden Euro zwischen den Kassen verschoben.
Um Ausgleichszahlungen aus dem Risikostrukturausgleich zu erhalten, müssen die Krankenkassen möglichst
viele Teilnehmer für die Behandlungsprogramme gewinnen. Die Behandlung sollte aber möglichst wenig kosten.
Daher werden die Anforderungen an die Programme gering sein und werden nicht den wissenschaftlichen Erkenntnissen
genügen. Eine Verbesserung der Versorgung ist deshalb nicht zu erwarten.
Die Rahmenbedingungen für die Behandlungsprogramme wurden unter Federführung der AOK vom Koordinierungsausschuss
festgelegt, in dem die Spitzenverbände der Krankenkassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die
Bundesärztekammer und die Krankenhausgesellschaft entscheiden. Der fachliche Rat und die Kompetenz des Deutschen
Diabetiker Bundes (DDB), der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) mit mehr als 6.400 Mitgliedern und anderer wissenschaftlicher
Fachgesellschaften, sowie die entsprechenden Berufsverbände wurden von diesem Gremium bis zum Schluss weitgehend
ignoriert.
Vor diesem Hintergrund hatte die DDG im Mai die "Nationale Versorgungs-Leitlinie" Diabetes mellitus
Typ 2 vorgelegt. Dabei handelt es sich um ein evidenzbasiertes Konsensuspapier der Deutschen Diabetes Gesellschaft,
der Fachkommission Diabetes Sachsen, der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, der Arzneimittelkommission
der Deutschen Ärzteschaft, der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften
(AWMF) und der Bundesärztekammer. Die Bundesärztekammer hatte des weiteren auch die Schirmherrschaft
für die Erstellung der Nationalen Versorgungsleitlinien Diabetes mellitus Typ 2 übernommen.
Zusätzlich hatte die DDG Praxis-Leitlinien publiziert. In diesen Leitlinien wird das gesicherte Wissen
zur bestmöglichen Behandlung von Menschen mit Diabetes mellitus in konkrete Handlungsanweisungen umgesetzt.
Das vom Bundesgesundheitsministerium festgelegte Anforderungsprofil für das Disease Management Programm
Diabetes bleibt im Vergleich dazu hinter der "Nationalen Versorgungs-Leitlinie" Diabetes mellitus Typ
2 und hinter den Praxis-Leitlinien der Deutschen Diabetes Gesellschaft zurück.
Fazit:
Die vom Bundesgesundheitsministerium festgelegten Anforderungenfür
das Disease Management Programm Diabetes Typ 2 führen aus ärztlich-wissenschaftlicher Sicht nicht zu
einer besseren Versorgung von Menschen mit Diabetes, weil
- nationale und internationale Leitlinien in wesentlichen Teilen nicht
berücksichtigt wurden
- der Patient und die Patientenorganisation nicht in die Entwicklung der
Anforderungen für Disease Management Programme aktiv eingebunden wurden
- eine integrierte Betreuung innerhalb der verschiedenen Versorgungsstufen
und Fachdiszipline nicht abgebildet und organisiert wird und damit ein koordinierter Behandlungsansatz fehlt
- Dokumentation, Qualitätssicherung und Evaluation, sowie Datenfluss
und Datenschutz ungenügend geregelt oder völlig unzureichend sind
- der bürokratische Aufwand für das Disease Management Programm
jährlich schätzungsweise fünf Milliarden Euro verschlingen wird. Diese Gelder werden für die
Versorgung fehlen
- ärztliche Aufgaben von Nichtärzten (z.B. Krankenkassen oder
Dritte) übernommen werden sollen.
Die Presseerklärung wird von den folgenden Organisationen unterstützt und getragen:
- Deutsche Diabetes-Gesellschaft
- Berufsverband Deutscher Diabetologen
- Bundesverband Niedergelassener Diabetologen
- Regionalgesellschaften der Deutschen Diabetes-Gesellschaft
- Deutscher Diabetiker Bund
- Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie
- Berufsverband Deutscher Endokrinologen
- Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin
- Berufsverband Deutscher Internisten
- Verband der Diabetesberatungs- und Schulungsberufe
- Gesellschaft für Nephrologie
- Deutsche Hochdruck-Liga
ots Originaltext: Deutsche Diabetes-Gesellschaft
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=43702
Pressestelle DDG
Kiefernstr. 6, 81549 München
Telefon 089 - 693 40 122, Telefax: 089 - 69388 911
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