ap, 20.07.2001 

Insulinforscher schrieb Medizingeschichte

80 Jahre Gewinnung des lebenswichtigen Hormons - Außenseiter gelang Durchbruch für Diabetiker

Von AP-Mitarbeiter Frank Leth

München (AP) Millionen Diabetiker verdanken dieser Entdeckung ihr Leben: Vor 80 Jahren, am 27. Juli 1921, gelang es dem kanadischen Orthopäden Frederick Grant Banting zusammen mit dem Studenten Charles Herbert Best erstmals, das Hormon Insulin aus der Bauchspeicheldrüse eines Hundes zu gewinnen. «Bereits im darauf folgenden Jahr konnte der 13-jährige Leonhard Thomas im kanadischen Toronto erfolgreich mit tierischem Insulin behandelt werden», erläutert Professor Peter Bottermann von der Technischen Universität München.

«Bis 1922 war die Diagnose Diabetes mellitus mehr oder minder ein Todesurteil», fügt der Ärztliche Generalsekretär der Deutschen Diabetes-Gesellschaft hinzu. 60 Prozent aller Patienten verstarben innerhalb eines Jahres nach der Diagnosestellung. Viele Ärzte sahen nur in Diäten eine mögliche Heilungschance. «Selbst eine Diät mit Alkohol wurde ausprobiert», weiß Bottermann. Auch Kartoffel- oder Opiumdiäten wurden zeitweise und ohne den gewünschten Erfolg angewendet.

Bekannt war die Zuckerkrankheit schon bei den alten Ägyptern. Aber erst im 19. Jahrhundert wurde den Medizinern klar, dass die Bauchspeicheldrüse, die so genannte Pankreas, mit der Entstehung dieser Stoffwechselerkrankung zusammenhängt. Die Drüse produziert im gesunden Zustand Insulin, das den Blutzuckerspiegel reguliert. Bei Diabetikern funktioniert dieser Mechanismus nicht. Fehlt aber Insulin, können die einzelnen Zellen der Organe und Muskeln den in der Nahrung enthaltenen Zucker nicht mehr aufnehmen.

Um die Jahrhundertwende versuchte der deutsche Arzt Georg Zülzer mit der Gabe von Bauchspeicheldrüsenextrakten die Krankheit zu bekämpfen, jedoch ohne Erfolg. Der Orthopäde Banting, der in der Diabetesforschung als absoluter Außenseiter galt, hatte dann rund 20 Jahre später die rettende Idee. Er vermutete, dass bei Zuckerkranken die von der Bauchspeicheldrüse ebenfalls produzierten Verdauungsenzyme das Insulin zerstörten.

Banting überredete John MacLeod, Physiologe an der Universität Toronto, sein Labor und einen Studenten über die Sommerferien für seine geplanten Experimente zur Verfügung zu stellen. Der damals erst 29-Jährige und sein Mitarbeiter Best banden dann in ihren Versuchen bei einem Hund den Bauchspeicheldrüsengang ab, so dass sich das Organ selbst verdaute. Zurück blieben die Insulin produzierenden so genannten Inselzellen.

Der daraus gewonnene Extrakt, dem die Forscher zunächst den Namen Islitin gaben, führte im weiteren Tierversuch zu einer Senkung des Blutzuckerspiegels. Damit war der Durchbruch für die Behandlung von Diabetespatienten gelungen. Für die Entdeckung dieser Möglichkeit der Insulingewinnung erhielten Banting und MacLeod 1923 den Nobelpreis für Medizin.

Heute gentechnisch hergestelltes Humaninsulin

«Diabetiker wurden nach diesen erfolgreichen Forschungen mit Extrakten aus den Bauchspeicheldrüsen von Schweinen und Rindern behandelt», erklärt Bottermann. Bis zu sechs Mal am Tag mussten sie sich mit dem Insulin selbst behandeln. Jahrzehntelang standen ihnen allerdings nur große Glasspritzen zur Verfügung, um ihr Insulin ins Unterhautfettgewebe zu injizieren. «Die Kanülen waren richtige Prügel und wurden mehrfach verwendet», schildert Bottermann. Gelegentlich führte die Therapie auch zu allergischen Reaktionen, da das tierische Insulin noch nicht rein genug hergestellt werden konnte.

Nach Angaben des Deutschen Diabetiker Bundes gibt es in Deutschland schätzungsweise 6,5 bis acht Millionen Zuckerkranke. Eine Million Menschen seien auf tägliche Insulinspritzen angewiesen. Den Diabetikern stehen heute zahlreiche und unterschiedliche Insuline zur Verfügung, die genauer und effizienter den Blutzuckerspiegel regulieren können als zu Zeiten Bantings. Drei Viertel aller Zuckerkranken verwenden das 1983 erstmals gentechnisch hergestelltes Humaninsulin. Einen therapeutischen Unterschied zu Tierinsulin gibt es allerdings nicht.

Doch trotz der Erfolgsgeschichte des Insulins sind der Behandlung weiterhin Grenzen gesetzt: Heilbar ist Diabetes nicht. Laut Bottermann ist es manchmal auch schwierig, vor allem ältere Patienten von der Notwendigkeit der Insulinspritzen zu überzeugen. Dabei sei der Einstich minimal. Vielleicht gibt es ja in zwei bis drei Jahren Abhilfe, indem das Insulin inhaliert werden kann. Entsprechende Studien sind dem Experten zufolge bereits in Arbeit. Die Schwierigkeit bei dieser Technik liege jedoch darin, dass Hormon genau zu dosieren.

http://www.diabetikerbund.de

http://www.discoveryofinsulin.com

http://www.diabetesstiftung.de

http://www.oedg.org


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